Interview Tebogo R. Mazibuko

Es ist krass, dass meine beruflichen Chancen nur wegen meines nicht-europäischen Namens deutlich geringer sind! 

Der brutale Tod des Afroamerikaners George Floyd hat in den USA einen Sturm der Entrüstung ausgelöst und weltweit für Aufsehen gesorgt. Doch nicht nur Amerika hat ein Rassismus-Problem, sondern auch Deutschland. Jeden Tag gibt es rassistische Übergriffe – subtile Blicke und Sprüche, offene Pöbeleien bis hin zu brutalen Übergriffen. Egal, ob in der Schule, am Arbeitsplatz, beim Einkaufen oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln - Alltagsrassismus ist weit verbreitet und erfolgt oft unbewusst und unbedacht. Auch unsere Head of Compliance & Law, Tebogo R. Mazibuko, wird immer wieder Opfer rechter und rassistischer Gewalt.  
Tebogo R. Mazibuko
Die 40-jährige Südafrikanerin ist seit Anfang des Jahres bei der valvisio consulting GmbH tätig und hat vor kurzem noch erfolgreich ihr MBA Studium an der Munich Business School absolviert. Tebo lebt nun schon seit mehr als zwei Jahren in Deutschland. In Südafrika hat sie über 10 Jahre lang in unterschiedlichen Rollen gearbeitet und verfügt daher über ein immenses Know-how in den Bereichen Recht, Beratung und Compliance. Bei uns betreut Tebo den Unternehmensbereich Compliance & Law sowie Strategic Business Development.
 
Bei einer Tasse Kaffee, in der Mittagsrunde oder vor dem nächsten Kundentermin erzählt uns Tebo immer wieder, wie sie Diskriminierung im Alltag erlebt. Rassistische Vorfälle im täglichen Leben sind keine Ausnahmen, sondern gehören für sie fast schon zur Tagesordnung. Dies schockiert uns zu hören. Daher möchten wir die folgenden Zeilen nutzen, um Tebos Erfahrungen zu teilen und weiter für diese Problematik zu sensibilisieren.
  • Tebo, obwohl es nichts zur Sache tut, kannst du uns bitte einen kurzen Einblick geben, wo du geboren und aufgewachsen bist? 
Ich sehe mich als Südafrikanerin mit multikulturellem Flair: Meine Eltern stammen aus unterschiedlichen südafrikanischen Stämmen. Daher mussten mein Bruder und ich schon in unserer Kindheit unterschiedliche Sprachen lernen, um mit all unseren Verwandten kommunizieren zu können. Vom Kindergarten bis hin zum Abitur habe ich die Deutsche Schule Pretoria (DSP) besucht. Die DSP zählt zu einer von fünf deutschen Schulen in Südafrika. Ursprünglich wurden diese Schulen seit Ende des 19. Jahrhunderts für die Kinder deutscher Auswanderer*innen/Expats gegründet. Meine Eltern haben sich damals für die DSP entschieden, da sie meinem Bruder und mir einen möglichst hohen akademischen Bildungsstandard ermöglichen wollten. In Südafrika herrschte lange Zeit das rassistische politische System der Apartheid (bis 1994). Zu dieser Zeit hatten nur weiße Kinder Zugang zu höherer Schulbildung.
Nachher habe ich mein Studium an der Stellenbosch University begonnen. Diese Universität hatte für mich einen besonderen Reiz, da hier viele Beamt*innen, Politiker*innen und große Unternehmer*innen der Apartheidszeit studierten. Ich wollte meine Kindheitserfahrungen besser verstehen (z. B. Warum war es mir auf Grund meiner Hautfarbe untersagt, meine weißen Freundinnen zu besuchen?) und Einblicke in andere südafrikanische Kulturen erhalten.
Bei der Wahl meiner Uni hatte ich wahnsinniges Glück: Die zugehörige Jura Fakultät zählte damals zu einer der besten im ganzen Land. Dort habe ich also über 10 Semester studiert und die Hauptfächer Jura, Politikwissenschaft und deutsche Literatur belegt. Danach folgte noch ein weiterer Studienabschnitt in Amsterdam (LL.M (International Business Law) Studium) und jetzt bin ich bereits seit über zwei Jahren in Deutschland. Diese ganzen Einflüsse haben meinen internationalen Horizont erweitert und meine interkulturellen Kompetenzen sicher gestärkt und erweitert.

  • Wie und wo nimmst du Rassismus wahr? Kannst du uns hier einige Situationen/Erfahrungen schildern?
Wie schon erwähnt, wohne ich seit über zwei Jahren hier in Franken und arbeite zum ersten Mal fest angestellt in einem Land, in welchem ich zu einer Minderheit der Bevölkerung zähle. Es hat lange gedauert bis ich mich daran gewöhnt hatte, dass mich Leute im ICE, im Restaurant oder im Ladengeschäft anstarren. Besonders traurig finde ich es, wenn ich an Flughäfen gründlicher durchsucht werde als andere Reisende, die mit mir in derselben Schlange stehen. Im Zug habe ich auch schon erlebt, dass die Zugbegleiter*innen Reihen überspringen, um zuerst meine Fahrkarte kontrollieren zu können. Vor kurzem habe ich sogar erlebt, wie eine Kassiererin die weiße Dame vor mir nett begrüßte und anlächelte und als ich an der Reihe war, weder auf mein “guten Tag” reagierte noch ihren Blick in meine Richtung verlegte.   
  • Wie gehst du mit solchen Situationen um? 
Weil ich es nie erwarte und es mich jedes Mal überrascht, erstarre ich meist im ersten Moment. Danach gehe ich oft einfach weiter (und bereue es, dass ich die Person nicht direkt in diesem Augenblick auf ihr rassistisches Verhalten hingewiesen habe). Andere Male kann ich die Situation auch entladen und beobachten, wie sich die Gesichtsausdrücke entspannen, wenn ich etwas auf Deutsch antworte oder sage. Wenn ich einen richtig guten Tag habe, kann ich sogar dieser Person noch ein Lächeln schenken. Unangenehm ist es trotzdem jedes Mal.
  • Merkst du, dass sich hier in Deutschland etwas ändert? Die Black-Lives-Matter-Bewegung sich auch hier abzeichnet? 
Die Black-Lives-Matter Bewegung hat sich auch auf Deutschland ausgewirkt – die Medien haben hierbei eine wichtige und zentrale Rolle eingenommen. Es ist schön, dass auch hier eine Diskussion zu diesem Thema entfacht ist. Zudem habe ich auch viel gelernt – zum Beispiel finde ich es besonders interessant, dass in Deutschland bereits seit dem 17./18. Jahrhundert dunkelhäutige Menschen leben. Die Idee, dass deutsche Staatsbürger*innen nur “weiß“ sind, ist somit sehr veraltet und längst überholt. Jedoch beobachte ich auch positive Entwicklungen: Berlin hat ein Antidiskriminierungsgesetz gegen öffentliche Stellen verabschiedet und versucht so, dem „Racial Profiling“ ein Ende zu setzen. Es ist mir dennoch bewusst, dass es noch lange dauern wird, bis sich der institutionelle Rassismus in den Behörden und im Arbeitsalltag komplett verabschieden wird. 
  • Was wünschst du dir für die Zukunft? Wie sollte mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden? 
Eine offene Denkweise und mehr Bereitschaft auch unangenehme Themen anzugehen! Außerdem sollte sich jeder und jede Einzelne über eigene und gelebte Vorurteile (jede*r hat diese!) bewusst werden. Ich sage immer - lieber Fragen stellen, statt Annahmen treffen. Zudem ist es wichtig, Themen nicht zu ignorieren und sich mehr und tiefgründiger mit den unterschiedlichen “Ismen” (z. B. Rassismus, Sexismus, Feminismus, Anti-semitismus) auseinanderzusetzen. Vor kurzem habe ich auch etwas über Diskriminierung aufgrund des eigenen Namens gelesen – es ist krass, dass meine beruflichen Chancen nur wegen meines nicht-europäischen Namens deutlich geringer sind! Und dann bin ich auch noch Frau und mit dunkler Haut. Puh! Da werde ich es wohl nicht leicht haben – dennoch habe ich keine Zweifel an meinen Fähigkeiten und Kompetenzen und weiß, dass ich sehr viel zu bieten habe. Die richtigen Arbeitgeber*innen werden das auch erkennen.
Ich sehe aber auch immer öfter, dass dunkelhäutigen Deutschen und in Deutschland lebenden Afrikaner*innen Plattformen gegeben werden, um ihre Erfahrungen zu teilen. Das freut mich sehr und so hoffe ich, dass diese Bewegung/Entwicklung nicht aufhört und immer weitergeht.

Nicht nur zahlreiche Studien beweisen, dass diverse Teams erfolgreicher und innovativer sind, sondern auch wir können dies bestätigen. Für unser gesamtes Team ist Tebo eine wahre Bereicherung. Wir lieben ihren offenen Geist, den südafrikanischen Akzent und ihren täglichen Tatendrang. Im Kontakt mit ausländischen Kund*innen konnte sie schon die ein oder andere sprachliche, aber auch kulturelle Barriere ausräumen. Wir alle müssen unser eigenes Verhalten reflektieren, das Schubladendenken ablegen, die Vorurteile ausräumen, den offenen Dialog suchen und verstehen, dass unterschiedliche Erfahrungen und Perspektiven uns nur voranbringen.
 
Wir möchten uns an dieser Stelle auch noch einmal ganz herzlich bei Tebo bedanken. Danke, dass du dir die Zeit für das Interview genommen und uns so viel Vertrauen entgegengebracht hast.